Interludum

Ich habe einen neuen Bart, den ich den "Bösen Biker" nenne und der mir das Gefühl gibt, als sei ich ein Protagonist aus diesem alten Film, in dem Charlie Sheen als Undercover-Bulle eine Motorradgang infiltriert und zerschlägt. Heute würde man ihm diese Rolle natürlich nicht mehr abnehmen, aber damals, in den frühen 90ern, war das noch 'was ganz anderes.

Lang ist's her und noch länger scheint's her zu sein, wenn man sich zurückerinnert. Anfang des letzten Jahrzehnts war ich gerade als Kind mit meiner Familie aus Bosnien in die Schweiz gekommen. Wann genau, in welchem Jahr, weiss ich nicht mehr. Allerdings erinnere ich mich noch genau an das Gefühl, als ich im Kindergarten die Leute eine Sprache reden hörte, von der ich kein einziges verdammtes Wort verstand. Ich hatte bis zu diesem Tag nie jemanden deutsch reden hören. Ich glaubte, man müsse sich ein neues Paar Ohren an die beiden Seiten des Kopfes anschrauben, um etwas zu verstehen. Mittlerweile bin ich ein ganz kleines bisschen klüger geworden und die deutsche Sprache beherrsche ich wohl besser als meine Muttersprache und wenn ich denke, dann denke ich auf deutsch. Es ist zu MEINER Sprache geworden. Ich hatte in der Schule immer bessere Noten als die ganzen Muttersprachler und ihr könnt euch vorstellen, was es für ein Gefühl ist, anfangs dümmlich in die Luft zu starren, wenn andere reden, und später die Sprache so zu beherrschen, als sei sie einem in die Wiege gelegt worden.

Ich war in den letzten paar Monaten für ein paar Tage mal wieder in der alten Heimat. Viel hat sich verändert. Und man muss nicht mal in die frühen 90er zurück, um sich die Veränderungen wahrhaftig vor Augen zu führen. Schau ein, zwei Jahre zurück und du wirst denken, du lebtest jemand anderes Leben. Manchmal kommt es einem so vor. Wie auch immer, ich bin zurück und ich will schreiben, denn ich vernachlässige diese Tätigkeit, die das Salz in der Suppe, die sich mein Leben nennt, ist, viel zu sehr. Viel zu sehr.

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