Ivan guckt Sachen: Sommerhaus der "Stars" (RTL, 2020)

Gestern, als ich auf dem Sofa sass und genüsslich das Ben&Jerry’s mit Schokoladenüberzug, Karamelkissen und Knusperzeug in mich reinstopfen tat, das seit vorgestern im Eiskühlfach seinem unweigerlichen Ende entgegensah, da servierte man mir noch etwas anderes dazu, das deliziös schmeckte, nämlich: Gerechtigkeit! Wie es dazu kam, dass ich Sahneeis mit Gerechtigkeit als Beilage zu mir nahm? Die kann man ja nicht einfach so im Laden kaufen, abgepackt in Plastik. Nun - dem Fernseher sei dank, meinem Freund in schwierigen Zeiten!

Ich gucke momentan gewissenhaft das “Sommerhaus der Stars”. Und ich sage, was ich jedes Mal bei solchen Sendungen sage: Es war nie so schlimm wie in dieser Staffel! Aber diesmal meine ich es ernst, zumindest bis zum nächsten Mal.


Das Haus, diesmal in der deutschen Provinz und nicht einem mediterranen Ferienparadies, wird bewohnt von prominenten Pärchen, die man eigentlich nur kennt, wenn man Trash liebt, nein, vielmehr lebt, wie es der bescheidene Verfasser dieses Textes hier tut. 


Dieses Auswanderer-und-Bodybuilder Pärchen, das aussieht wie im Labor hochgezüchtete und anschliessend kahl rasierte Gorillas auf Steroiden, wohnt zum Beispiel da. Irgendein versiffter Hypnotiseur mit seiner ollen Ische auch. Und eine YouTuberin, dessen mittlerweile plastifiziertes Lamiengesicht hoffentlich schon mal bessere Tage gesehen hat, gemeinsam mit ihrem seelenlosen Fleischgolem, ich meine Freund, der nicht viel mehr als ein Papagei in menschlicher Gestalt ist. Alle zusammen auf engstem Raum in einem Haus auf dem Lande. Was für die einen ein Grund zum Wegschalten ist oder gar nie erst hinzusehen, ist für mich und meinen einfach zu erheiternden Geist und Anspruch an Unterhaltung süssester Nektar und reinstes Ambrosia. 


Man muss die Schönheit in allem sehen, auch in dieser Fernsehsendung: Wenn Menschen aufeinander sitzen, die sich für die Sahne auf der Torte der Zivilisation erachten, sich über Followerzahlen auf Instagram definieren und in ihrer eigenen Gestalt die Reinkarnation der grossen Denker und Strategen der Antike wiedererkennen, dann weiss man, das hier, so wie in jeder Tragödie, die Kacke am Dampfen sein wird, wie man so schön sagt.


Und die Kacke war am Dampfen, und wie sie am Dampfen war! Insbesondere zwei Kackhaufen dampften mit der Intensität von tausend Teekochern: Der ehemalige Bätschler Andrej Mangold, der seine Haare bei Playmobil kauft und seine Jennifer Lange, die lange nicht so sympathisch ist, wie ich zu Beginn dieser Staffel dachte. Nicht nur ist sie nicht sympathisch, sie war vielmehr mit ihrem Andrej mit den Playmobilhaaren gezielt am Mobbing von Eva beteiligt, und zu diesem Zweck haben sie alle anderen Bewohner des Sommerhauses um sich geschart und influencermässig be-influencet, so perfide und bösartig, wie es nur ging. 


Selbst gebildete Menschen werden jetzt fragen: Moment, wer ist jetzt Eva? Ist es die alttestamentarische Eva, die mit ihrem Adam aus dem Paradies verbannt wurde, weil sie vom verbotenen Apfel gekostet hat? Und warum hat sie “beef” mit Andrej?


Und ich antworte: Nein, es ist natürlich nicht die alttestamentarische Eva, die aus dem Paradies verbannt wurde - auch wenn die Bibel in der Geschichte unserer Eva auch eine gewisse Rolle spielt.


Unsere Sommerhaus-Eva ist gebürtige Griechin, heisst zum Nachnamen Benetatou, was übersetzt soviel heisst wie “gutes Tattoo”, wenn mich meine Italienischkenntnisse nicht täuschen, und ist eine Nachzüglerin im Hause der Stars. Vor allem aber ist sie eins, und das werden alle immer wieder ihr vorwerfen, lustigerweise aber nicht dem Andrej: Die ehemalige Bettgespielin im Finale ums Herz des ehemaligen Bätschlers und damit direkte Konkurrentin von Jennifer, für die sich Andrej damals entschieden hat.


Gott sei mein Zeuge, ich nehme das Wort misogyn nicht schnell in den Mund, was Eva aber erdulden musste und auch ihr Freund Chris, den ich zuerst für einen affigen Türsteherdarsteller hielt, mein Urteil aber mittlerweile revidieren musste, ist reinste Misogynie und ungefiltertes Mobbing. Eva wird nicht nur als Flittchen dargestellt, weil sie eine Nacht mit dem Bätschler verbracht und dies auch öffentlich gesagt hat, ihr wird auch vorgeworfen, dass sie sich über ihn - eine richtige Berühmtheit - definiert und dank ihm immer wieder im Fernsehen erscheinen darf. Andrej hingegen kommt als Saubermann weg und schart die Gruppe in gruseligem Einklang um sich, nur um auf Eva einzudreschen und sie und ihren Freund auszugrenzen. Der selbe Andrej, der den Gegenpart in der besagten Nacht mit Eva spielte und sich offensichtlich die Chance nicht entgehen lassen wollte, seinen Pimmel bei Eva in den Hangar zu fahren - kurz vor dem Finale, kurz bevor er sich für die wahre Liebe seines Lebens, nämlich Jennifer, entschied.


Alles vergessen, Eva war klar als der bösartige “Parasit”, als “Behinderte”, als “Dreck unter den Füssen” von Jennifer, ausgemacht und musste als Störfaktor eliminiert werden. Und man hat sich nicht davor gescheut, sie das auch spüren zu lassen, so auch die Schlagersängerin Annemarie Eilfeld, die abends vor dem Einschlafen gerne die Bibel liest, tagsüber jedoch als Inquisitorin im Auftrag des Herrn Jesus Christ… Andrej Mangold unterwegs ist.


Nun hat aber gestern die Gerechtigkeit gesiegt: In einem der Wettkämpfe zwischen den Bewohnern hat Eva gewonnen und sich damit nicht nur vor dem sicheren Rauswurf durch die Stimmen der anderen Hausbewohner in der nächsten Runde bewahrt, sie durfte auch noch wählen, wer das Haus umgehend verlassen soll. Und wer durfte es verlassen: Der Bätschler und seine Jennifer!


Mein Ben&Jerry’s schmeckte mir ab dem Zeitpunkt noch tausend Mal besser. Und noch viel besser bekam es mir, als ich erfuhr, dass aufgrund des Auftritts im “Sommerhaus der Stars” Andrej und seine Jennifer reihenweise Kunden verloren haben, die mit den Influencern Werbung machten, darunter Porsche oder der Fruchtsaftproduzent Granini. Grund: Man wolle die Marken vor der Identifikation mit Mobbern schützen und könne das im Fernsehen gezeigte Verhalten nicht gutheissen.


Das ist zwar typisches corporate-communications-Gelaber, denn solche Unternehmen würden auch mit Hitler höchstpersönlich werben und ihn “Ich mag juice” in einer Instagramstory sagen lassen, wenn seine Weltanschauung und Konzentrationslager wieder “in” und “en vogue” wären - aber ich verdrückte dennoch ein kleines Tränchen.


In diesem Sinne: Hoffentlich auf nimmerwiedersehen, Playmobilhaarmann und Gundel Gaukeley!


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