Nachwehen einer Fussball-Europameisterschaft

Liebes Tagebuch... 

Ich sage es, wie es ist: 

Das Ausscheiden meiner Heimat Kroatien aus der diesjährigen Fussball-Europameisterschaft hat mich wirklich aus der Bahn geworfen. So sehr, dass ich erst jetzt die Kraft finde, meine Gefühle auf virtuelles Papier zu bannen. Wie konnte das nur passieren? Wir hatten die schönsten Kostüme - oder auch "Trikots", wie wir Fussballkenner das nennen - aber letzten Endes hatte alles keinen Wert.


Nicht mal Luka Modric, Kapitän der Kroaten, mit seiner wirklich 
epischen Kindheit-im-Krieg-Herkunftsgeschichte, konnte das Blatt abwenden, das uns von den grausamen Göttern wie dereinst dem missgestalteten Ephialtes, dem Verräter der Spartaner, so gnadenlos zugeteilt wurde.

Und nun haben auch noch die Italiener gewonnen! Aber man gönnt es ihnen dennoch irgendwie, denn niemand gönnt den Engländern irgendwas, auch nicht einen Sieg an einer dämlichen Fussball-Europameisterschaft.

Ich habe fast jedes Spiel der Kroaten verfolgt, wann immer ich konnte - das heisst, wann immer nicht gerade etwas Besseres im Fernsehen kam. Freundin N. hatte sich damit abgefunden. Wir Männer brauchen unseren Fussball, amirite?! Und ich gönne ihr ihren Ryan Gosling schliesslich auch. Sie liebt den Kerl so wie ich meine Pizza Vier Jahreszeiten - oder auch "Quattro Staggioni", wie wir Pizzakenner das nennen. Freundin N. wurde Zeugin davon, wie jedes Mal in mir die patriotische Flamme aufloderte, wenn die Hymne Kroatiens in den Stadien und aus dem Fernseher donnerte. Wie bei einem perversen Modefotografen und seinen gerade-noch-im-legalen-Alter-Fotomodels, so griff auch meine Hand in jenen Momenten reflexhaft an meine (linke) Brust, dorthin nämlich, wo das Herz schlägt. Und es schlägt, es schlägt hart und unbeirrbar für meine Heimat, das blaue Meer und die Berge und den Karst und die Olivenhaine und die Autobahn-Bezahlhäuschen. Deswegen, ihr versteht, auch der Schmerz, der mich bis anhin vom Schreiben abhielt.

Nun ist aber der Schmerz (fast) überwunden und das Leben muss ja weitergehen! Sich wieder dem Alltag widmen. Meine Rechnungen zahlen sich schliesslich nicht von selbst - obwohl, doch, manche schon, dank Dauerauftrag bei der Bank.

Treue Leser werden sich wundern und sagen: Der Autor dieser Texte hat sich nie für Fussball interessiert und aus seriösen Quellen weiss man, dass seine fussballerischen Ambitionen nach nur einem Probetraining tragisch endeten, nämlich aus purem Desinteresse und omnipotenter Faulheit, ausserdem waren die Schienbeinschoner viel zu kurz. Die haben gar nichts geschont, und erst recht nicht die schonungsbedürftigen Schienbeine.

Und ja, das mag wohl alles stimmen! Aber ich will mich jetzt ein bisschen interessanter machen, als ich eigentlich bin. Neue Charakterfacetten reinbringen, wie hier den handelsüblichen "Fussballnarr". Wann, wenn nicht jetzt? 

Oder ist es schon zu spät? Hopp, FC Kroatien!

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