Ivan guckt Sachen: First Dates Hotel (VOX, 2022)

 


Seit einigen Wochen, jeden Montagabend und pünktlich ab 20:15 Uhr, verdränge ich meine existenzielle Krise damit, im Fernsehen zu gucken, wie paarungswillige Menschen sich in mediterranem Ambiente balzen und umwerben. Es ist eine leidige Angelegenheit, dem Treiben zuzusehen, aber was sonst soll ich tun? Montagabende sind programmtechnisches Brachland, eine fruchtlose Savanne, in der sich nur hagere Büsche und vereinzelte Tsetsefliegen tummeln, doch Tsetsefliegen sind weder amüsant noch unterhaltsam. Sie sind die Geissel weiter Teile Afrikas, mit ihnen ist nicht gut Kirschen essen.

Ich könnte natürlich Netflix anwerfen, aber dazu müsste ich das eine Kabel suchen, mit dem ich meinen Laptop mit dem Fernseher verbinde, und das ist mir die Mühe nicht wert. Ich bin ein grundlegend fauler Mensch. Mein Umfeld kann das bezeugen. In Zusammenarbeit mit einer tief gärenden Unordnung, innerlich und äusserlich, gehen Kabel verloren, aber auch mein Bewegungsdrang nach einem anstrengenden Arbeitstag.

Also begnüge ich mich damit, auf dem Sender VOX die mittlerweile 3. Staffel des First Dates Hotels zu schauen.

Moderator Roland Trettl, der immer nur kurze Hosen und lange Socken trägt wie ein richtiger Sonderling, empfängt die Gäste auf Partnersuche auch dieses Jahr wieder in meinem Heimatland Kroatien. Dabei kommandiert er, wie die Deutschen bzw. Österreicher es sich mit unserem kleinen, gut gelaunten und stets gelassenen Völkchen im Süden Europas historisch gewohnt sind, ungewöhnlich kleingewachsene Kroatenjünglinge mit Bushido-Gedenkhaarschnitt herum, während diese die massiven, mit neunzehnhundertfünfundvierzig Paar Schuhen vollgestopften Koffer deutscher Sextouristinnen mal schnell auf die jeweiligen Hotelzimmer bringen. Und ja, ich muss es sagen: Mein Herz pocht stärker, wenn ich zur Primetime das Schachbrettmuster unseres Wappens im Fernsehen sehe. Es ist ein erhabenes Gefühl. Der Patriot in mir wird geweckt.

Und dann sehe ich gefühlt drei Stunden anderen Menschen zu, wie sie sich beim gemeinsamen Essen in einem romantischen, pittoresk aufgewerteten Ferienressort-Restaurant Essen reinschaufeln, Blicke zuwerfen und Dialoge führen. Manchmal läuft das gut, manchmal aber auch nicht.

Nach dem gemeinsamen Dinner dürfen die beiden dann in die Kamera sagen, ob sie sich ein zweites Date vorstellen könnten. Dabei ist ein simples Muster auszumachen, dass man auf 99 von 100 gezeigten Dates anwenden kann: Der Mann sagt immer ja, war doch super, gerne ein zweites Date, warum nicht gleich noch ins Bett gemeinsam oder getrennt zu zweit oder so...? Die Frau hingegen mag nicht, weil der Mann zu viel oder zu wenig geredet hat, der Funke nicht übergesprungen ist oder weil er ein komisches Haar auf der Ohrmuschel seines linken Ohres hat und Fälle akuter Ohrbehaarung nicht in ihre aktuelle Familien- und Zukunftsplanung passen.

Kurzum: Die Männer nehmen alles, was ihnen vorgesetzt wird. Die Frauen sind da wählerischer.

Man könnte ganze Abhandlungen darüber schreiben, warum das so ist. Wie das alles evolutionär zu erklären sei, dass Männer so willig - man könnte auch sagen: anspruchslos - sind, Frauen hingegen so abwägend und selektiv. Aber ich bin kein Wissenschaftler, sondern nur ein bescheidener Beobachter von Tatsachen im Fernsehen.

Auch Freundin N. ist dieser Umstand, dieses massive Auseinanderklaffen der geschlechtlichen Zweitdatebereitschaft, nicht entgangen, und so fragt sie mich in regelmässigen Abständen, mit leicht marktschreierischem Unterton, während diese Sendung auf unserer Kiste flimmert:

Warum seid ihr Männer nur so?!

Sie impliziert damit wahrscheinlich, dass der handelsübliche Mann im paarungsfähigen Alter noch einen toten Baumstumpf daten und bespringen würde, wenn man diesem ein Gesicht aufmalen und eine Perücke aufsetzen würde. In diesen Momenten zucke ich nur unwissend mit den Schultern, schaue ebenso verdutzt wie sie und hauche ein "Ich versteh' es auch nicht" über meine Lippen. Manchmal schüttle ich noch theatralisch - aber nicht zu theatralisch! - meinen Kopf in offen gezeigter Empörung.

Dann lenke ich ihre Aufmerksamkeit wieder auf den Vanille-und-Salted-Caramel Eisbecher, der neben uns auf der Couch lungert und den ich extra für diesen Fernsehabend bei Aldi für Fr. 3.99 geholt habe und hoffe, dass der Rest des Abends harmonisch zu Ende geht.

Danke dafür, First Dates Hotel!

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