Ein Bekenntnis, das ich nicht hören wollte

Wir standen draussen, es war kalt. Er war betrunken, ich war's nicht. Beide rauchten wir und bliesen den Rauch in die schwarze Januarnacht.

Ein Freund aus vergangenen Tagen. Ich kannte ihn kaum. Er hatte mir geschrieben, völlig unerwartet, und fragte, ob ich mal Zeit hätte, etwas trinken zu gehen. Durch die gefühllose Hülle meines Iphones, denn ich habe seit kurzem eines, spürte ich noch, dass ihm etwas Schweres auf den Schultern lastete. Also sagte ich zu. Ich wollte dem Mann ein offenes Ohr bieten, da sein, nett sein. Das ist es doch, was Freunde füreinander tun.

Als wir also draussen standen, bibbernd vor Kälte in dieser dunklen Nacht im Januar, Zigaretten zwischen den Fingern, blickte er mich an. Ich sah ein Glitzern in seinen Augen und ahnte, dass es nicht des Alkohols wegen war, den wir zuvor drinnen getrunken hatten.

"Ivan", begann er mit einer leicht lallenden Stimme, "ich muss die etwas sagen, das ich niemanden zuvor gesagt habe. Ich hoffe, du denkst nachher nicht schlecht von mir, aber ich muss... ich muss es loswerden."

Ich blickte zuerst leicht angespannt um mich, nickte ihm dann aber zu. Du kannst weiterreden, gab ich ihm zu verstehen. Ich höre zu.

Er fuhr fort:"Damals, als Tokio Hotel gerade mit ihrer Karriere losgelegt hatten, sah ich mal den Videoclip zu Durch den Monsun im Fernsehen. Du kennst den bestimmt, der lief im Fernsehen rauf und runter. Wie auch immer: Ich war jung, ich war merkwürdig, doch das alles ist keine Entschuldigung für das, was ich tat und was ich tat, das willst du nun wissen, ich weiss!"

Ich wollte nicht, aber hörte weiter zu.

"Im Fernsehen also lief dieser Clip, dieser verdammte, denn er lief ja immer irgendwo... Ich war gerade in der Phase, in der ich auf rotzige Punkgirls stand, die einen leicht maskulinen Touch hatten. Da war also der Sänger, durchnässt vom Monsunregen, die feuchten Kleider klebten an seinem zierlichen Körper. Dahinter stand sein Bruder mit der Gitarre. Und ich schwöre dir, hätte ich damals gewusst, dass diese beiden Koryphäen einer homo-metrosexuell beherrschten, neuen Weltordnung Buben sind und nicht die Mädchen, für die ich sie hielt, hätte ich das, was ich getan habe, nimmer getan. Ich packte ihn aus", und dabei griff er sich in den Schritt, "und holte mir einen runter. Glaube mir, ich dachte, es seien Mädchen. Sonst... sonst hätte ich das doch nie getan. Bitte glaube mir."

Er brach in Tränen aus, mein Freund. Er brach zusammen. Ein schluchzendes Häufchen Elend, dort in der Rheingasse, in jener Nacht. Er war gebrochen. Ich konnte nichts mehr tun. Hatte getan, was ich tun konnte. Hatte ihm zugehört. Doch mehr ging nicht.

Ich drückte meine Zigarette unter den echt coolen Winterstiefeln aus, die ich mir zum supergünstigen Preis bei Vögele Shoes gekauft hatte, klopfte ihm noch einmal auf die Schulter, wandte mich ab und ging. Was nach jener Nacht aus ihm geworden ist, weiss ich nicht.

Einige sagen, er sei unter einer falschen Identität nach Deutschland gegangen und habe in Windeseile Karriere in der Politik gemacht. Edathy heisst er jetzt, glaube ich.

Ich hoffe, er hat seinen Frieden mit sich und der Welt gemacht.

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