Empathie mit Dschihadisten oder: Niemand hört gerne abrupt auf!

Ich kannte mal einen Typen. Er war Alkoholiker, lebte auf der Strasse. Er hielt sich meist am Bahnhof in Basel auf. Man sah ihn dort mit anderen Leuten, die wohl ebenfalls auf der Strasse lebten, vor der Schalterhalle rumstehen, Wein aus Tetrapaks trinken und reden. Ich kannte den Mann nicht wirklich, es war einfach so, dass er immer zu mir kam, wenn ich auf den Zug ging. Er verwickelte mich in Gespräche über Gott, über die Kirche und das Leben. Immer wieder sagte er mir: Jesus liebt dich, mein Sohn! Anschliessend bat er mich um eine Zigarette und ging dann wieder seines Weges.

Erst viel später und durch einen Zufall erfuhr ich, dass dieser Mann selbst Jesus hiess und nicht etwa Werbung für die Güte des Gottessohnes machte. Von da an ging ich ihm aus dem Weg und richtete den Blick streng auf den Boden vor mir, wenn ich den Bahnhof passierte.

Ein anderer Mann, den ich ebenfalls nur flüchtig kannte, drohte mir regelmässig mit dem Zorn Allahs. Das war schon starker Tobak und eine andere Liga als die Anmache vom Bahnhofsjesus. Ich war mir auch ziemlich sicher, dass der, der die Drohungen aussprach, nicht Allah hiess. Ich hatte es also mit einer waschechten, monotheistischen Gottheit zu tun. Und von Ost bis West wissen alle Leute sehr wohl, dass es viel braucht, um Allah, den allbarmherzigen Erbarmer und seine bärtigen Gefolgsleute auf der Erde zu erzörnen. Viel muss passieren, bis die Vertreter dieser sonst friedlichen Religionsgemeinschaft Flugzeuge in Hochhäuser krachen lassen, in Schulbussen fahrende Mädchen mit Kalaschnikows zu durchlöchern versuchen, Bibeln verbrennen und Menschen hängen. Ich aber kam nicht darauf, was ich getan haben könnte und gab es auf, darüber nachzugrübeln und bei Gott, ich hätte all das, was ich erzählt habe, irgendwo in der Dunkelheit meines Schädels eingelagert und verstaut, wenn Katy Perry nicht wäre. Genau die Katy Perry, die ein Mädchen geküsst und das durchaus gemocht hat. Genau die.

Wie kam's? Millionen junger muslimischer Männer mussten in den vergangenen Tagen die vom Wüstensand kratzenden Unterhosen wieder hochziehen und das Masturbieren abrupt einstellen, als im neuen Video von Katy nach etwa einer Minute ein Mann, der eine Kette trug, auf der der Name Allahs prangte, von ihr persönlich verpulverisiert wurde. Wieder einmal wurde die Geduld und Güte der Muslime auf das Übelste strapaziert und beim Barte des Propheten, ich meine das nicht sarkastisch. In Syrien schlitzen sie sich die Kehlen auf, im Irak schiessen Schiiten und Sunniten aufeinander, in Somalia halten sie seit Jahrzenten ein Land in mittelalterlicher Stagnation und überall, aber wirklich überall, sind die Schwulen und der Kapitalismus auf dem Vormarsch - die islamische Welt ist in Schwierigkeiten, man sieht es, man liest es. Und zu all diesen Übeln wird in einem Clip, der die Ästhetik eines LSD-Trips hat, der Name Allahs zu Staub und Asche. Zum Glück haben auch Salafisten Zugang zu Youtube und zum Glück scheinen einige Katy Perry's Kanal abonniert zu haben, denn sonst hätte jeder andere, ein ignoranter Christ etwa, die zwei Sekunden hochbrisantes Videomaterial übersehen. Man sollte den Kritiken, die von Muslimen weltweit geäussert werden, ehrliche Beachtung schenken und das alles nicht als Spinnerei abtun. Mehr noch, man sollte sich mal versuchen, in die Lage dieser Menschen zu versetzen.

Ich versuche das, versetze mich in ein 25-jähriges, muslimisches Gegenstück meiner selbst und sehe Gemeinsamkeiten. Uns beide bringt diese Frau, diese Katy, in Wallung. Bei uns beiden löst sie etwas unheimliches aus. Vielleicht wird uns beiden eng in der Hose. Der einzige, kleine Unterschied, liebe Leute, und das zeigt, dass wir Menschen im Grunde alle gleich sind, ist, dass ich nach Minute 1:15 meine Unterhosen unten lasse und weitermasturbiere, während mein Gegenstück einen dicken Stau in den Hoden hat. Das allein.


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