Kulturelle Approp... ri... atation?

Liebes Tagebuch...
Nachdem ich über längere Zeit damit beschäftigt war, die mir und meiner schriftstellerischen Tätigkeit zu Ehren gegründeten Fanclubs in Warth-Weinigen, Rafz sowie den Tunneln Skabrnja 1 und Skabrnja 2 in Kroatien zu besuchen und Meet-and-Greets mit deren mich über alle Massen verehrenden Mitgliedern zu organisieren, kann ich nun wieder virtuos auf die Tastatur hämmern. In den beiden Tunneln hat übrigens schon der berühmte kroatische Barde Sajeta Fanclubs - es gibt offenbar Überschneidungen bei meiner und seiner Zielgruppe. Toller Sänger! Auch ich bin ein Fan!

Heute, liebes Tagebuch, möchte ich deinen leeren Seiten meine feinfühligen Gedanken zu einem brandaktuellen Thema widmen, nämlich der Cultural Appropriation. Erinnert sich jemand noch daran, als sich die hauptberuflich empörte Suzie Grime, unter anderem bekannt aus dem YouTube Format Auf Klo, über die sogenannte kulturelle Aneignung ausliess und warum das so schlimm sei? Das tat sie mit Dreadlocks auf dem Kopf, was natürlich Humor ganz nach meinem Geschmack ist. Ich verwende das Video seitdem immer, um jemanden bei Bedarf ganz einfach zu erklären, was Ironie ist.
Kulturelle Aneignung ist, wenn dein Kind sich zu Karneval als Indianer verkleidet. Kulturelle Aneignung ist, wenn sich deine Frau einen Kimono anzieht, weil sie ihn hübsch findet. Kulturelle Aneignung ist aber auch, wenn Suzie Grime ihren hohlen, von Deutungshoheit und Moralin zum Bersten gefüllten Schädel mit Dreadlocks schmückt. Natürlich ist sich Suzie Grime des Widerspruchs bewusst, aber sie rechtfertigt sich dermassen unbeholfen, fantasielos und platt, dass das sinnbefreite Gerede der Rede nicht Wert ist.
Was aber ist genau schlimm an kultureller Aneignung, fragen sich die Menschen von Ost bis West und von Nord bis Süd. Und die Antwort darauf können, natürlich, nur erlauchte Vordenker unserer Gesellschaft geben, etwa die Partei der Jungsozialisten in Deutschland: Man nehme damit der Kultur, derer Mode oder Aufmachung man sich als weisser, europäischer Mensch bedient, die Deutungshoheit über ihre eigene Geschichte. Zudem sei das rassistische Projektion und damit eine Form von Gewalt. Und Postkolonialismus ist es sowieso!
Das haut rein wie ein Blitz, auch bei mir! Erst jetzt ist mir bewusst geworden, dass ich schon in den frühesten Jahren meines Lebens ein verdammter Rassist und Gewalttäter war. Damals im Kindergarten, als wir Cowboys gegen Indianer gespielt haben, fing meine anrüchige Karriere im rassistischen Milieu schon an. Und dann, Jahre später, als ich mir bei einer langen Autofahrt in einem heissen Sommer in Bosnien zum Spass einen Turban aufsetzte, hatte ich die Grenzen zu einer Welt der Geschmacklosigkeit, Menschenverachtung und ausufernder Gewalt endgültig überschritten. Mir musste klar sein, dass es keinen Weg mehr zurück in ein normales, bürgerliches Leben gab. Zwar hatte das damals niemand mitbekommen oder gesehen, aber wäre mir all das damals bewusst gewesen, ich hätte mich selbst mit meinen eigenen Fäusten verprügelt und mir ins Gesicht gerotzt.
Liebes Tagebuch, ich will jetzt ein besserer Mensch werden. Wenn mich mein Kind dereinst fragt, ob es sich als indianische Zeichentrickfigur Yakari verkleiden darf oder, Gott behüte, als Mulan, die chinesische Kriegerprinzessin, werde ich das einzige Richtige tun: Ihm sagen, dass es ein schamloser Rassist ist, es aus der Zivilgesellschaft ausstossen und für seine arme Sünderseele beten. 

Kommentare

Beliebte Posts