Pizza Hawaii Blues

Liebes Tagebuch...
Ich spiele mit dem Gedanken, einen Foodblog zu starten. Meine Expertisen zum italienischen Nationalgericht, der Pizza, sind schon jetzt sehr gefragt. Ich hatte sie alle: Von der Capricciosa, über die Hawaii, bis hin zur Vulcano. Jede Einzelne habe ich gekostet, mit Zunge, Augen, Händen und Lippen, und mir damit über die Jahre ein umfangreiches Wissen über Pizzen angeeignet. Meine Anekdoten dazu könnten eine Bücherei füllen, die Werke darin würden sich türmen wie in jener sagenumwobenen Bibliothek von Alexandria, dem Hort des Wissens in der Antike.

Natürlich bleibt das Wunschdenken. Die Mysterien über die Pizza, die in meinem Geist schlummern, werden dereinst mit mir vergehen und das Wissen wird verloren sein. Vielleicht ist es besser so, denn die Kenntnisse über die Speise aus variabel belegtem, hauchdünnem Teig bergen auch grosse Macht. Vielleicht eine Macht, die niemand alleine in seinen Händen tragen sollte... oder dürfte.
Verzeihung, ich verwechsle da gerade etwas mit dem Wissen um die Herstellung von Wasserstoffbomben. Darüber weiss ich gar nichts. Wasserstoffbomben eignen sich auch nur bedingt als Thema in einem Foodblog.
Was ich aber eigentlich sagen wollte, liebes Tagebuch: Ich war neulich an der Basler Fasnacht, die nun zum immateriellen Weltkulturerbe der UNESCO gehört. So sass ich am Mittag, von der Sonne lieblich beschienen, bei der Kaserne, und ass eine Pizza Hawaii, während ich auf das Spektakel wartete.
Man wird sich nun fragen: Wie? Ein Pizzagourmant, der Pizza Hawaii nicht abstossend findet?
Und in der Tat antworte ich darauf: Ich halte die Pizza Hawaii für eine äusserst deliziöse Pizza. Ich mag, wie sich die Süsse einer frischen Ananas mit dem salzigen Schinken darauf verbindet. Eine ungewöhnliche Verbindung vielleicht, aber entspringt wahre Schönheit nicht aus der freien, gewollten Verschmelzung des eigentlich Unvereinbaren? Hat Edward anno dazumal, in der Filmreihe Twilight, Kristen Stewart etwa weggestossen, nur weil sie eine Menschenfrau und er ein Vampir ist? Nein, er hat sie gedatet, ihr das Blut aus dem Leib gesaugt und sie geschwängert. Ich sage das ohne Gewähr und die Handlung stark verkürzend, denn ich habe die Filme nie komplett gesehen.
Die Basler Fasnacht übrigens, auf die ich meinen Blick bei Verzehr der Pizza Hawaii gerichtet hatte, ging ohne den, insbesondere im Nachbarland Deutschland üblichen Aufschrei über alles nur Erdenkliche, über die Bühne. Und das, obwohl es unter anderem eine Gruppierung gab, die als Buschmänner kostümiert durch die Strassen zog. Die Medien blieben stumm und auch die üblichen Verdächtigen schwiegen. In Deutschland hätten sich beim Anblick der Schwarzen mit den Riesenlippen die Marginalisierten vor entfesseltem Zorn in die eiskalten Fluten des Rheins gestürzt oder, Gott behüte, auf Twitter einen Hashtag gestartet, der sich gesalzen hat. Ich bin beileibe kein Fan der Fasnacht, aber freue mich dennoch, dass sie ohne das zwingend erforderliche, moralingeschwängerte Geplärre, das seit Ende 2017 irgendwie zum guten Ton gehört, vorüberziehen konnte.
Vielleicht sind die Schweizer da auch einfach reifer, besonnener und frei von sinnentleerter Hysterie. Das Phänomen des Virtue Signaling ist hier auch noch nicht so in Mode. Nicht umsonst sagt man, die Schweizer seien in vielem einfach etwas langsamer - das Geplärre und der Aufschrei müssen vielleicht einfach noch zuerst den Bodensee überqueren.

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