Ivan guckt Sachen: Helene Fischer - Im Rausch der Sinne (TV, 2021)


Eigentlich wollte ich gestern Abend etwas anderes gucken, ich schwöre. Aber es lief sonst nichts und zum Netflix einschalten war ich zu faul. Man kennt das: Sonntags haut die existenzielle Paralyse richtig rein. Dann reicht es in den späten Abendstunden genau noch dazu, sich ein Käse-Schinken-Brötchen mit lecker Zwiebeln in der Küche zu machen und apathisch in den Fernseher zu glotzen, um das Ende des Tages und damit den unweigerlich kommenden Montagmorgen und das Geplärre des Weckers hinauszuschieben.

Kein Netflix und auch sonst nichts wirklich Gutes, also guckten Freundin N. und ich das, worauf wir uns beide als erstes einigen konnten, nämlich leider "Helene Fischer - Im Rausch der Sinne", einen Musikfilm, der uns so persönliche Einblicke in das Leben der deutschen Schlagerikone geben sollte, wie es kein Film je zuvor tat.

Das klingt ja schon in der Beschreibung richtig beschissen - dachte ich mir nur! Und mein Gedanke sollte sich im Laufe der folgenden Minuten durchaus bewahrheiten.

Der sogenannte Musikfilm über das Leben der Helene war nämlich weiter nichts als eine Aneinanderreihung gespenstisch einander ähnelnder Musikclips und derer Making-Ofs aus dem, wie ich nach gründlichen Recherchen erfahren habe, neuem Album von Helene Fischer, und dazwischen gähnend langweilige Interviews einer Frau, die so bland wie reinstes Weizenmehl ist.

Ich weiss, ja, ich weiss: Unglaublich viele Menschen in Deutschland und auch im Ausland, das voll von Ausländern ist, vergöttern diese Frau als wäre sie die Tochter von Frau Merkel und Hindenbrug höchstpersönlich und dazu die Schwester von Karl dem Grossen, dem Urvater der deutschen Nation, aber ich kann nicht anders als das nicht nachvollziehen zu können. Ich werfe mir meinen symbolischen weissen Anzugkittel über und blicke angestrengt klug durch ein imaginäres Mikroskop, um die Quintessenz ihrer Popularität zu finden, aber da ist nichts, nur gähnende Leere.

Doch die Leute ticken aus, wenn sie diese Frau sehen. Junge, Alte, Männer und Frauen. Und wer bin ich, zu urteilen, insbesondere während angebissene Zwiebelstückchen und Brotkrümel sich auf meinem T-Shirt versammeln wie eine halbherzige Demonstration an einem verregneten Freitag für die Zukunft?

Aber ich muss es mir von der Seele schreiben, ich muss.

Einen Grossteil dieses tollen Musikfilms haben wir nur dank der Vorspulfunktion unseres Fernsehdienstanbieters überlebt. Dafür zahlt man gern. Irgendwann kommt nämlich unweigerlich der Point of ultimative Langeweile, dann hat man nämlich die Formel aller Lieder und aller visuellen Ergüsse von Fischer und Team dekodiert. Helene im Scheinwerferlicht, um sie herum Dunkelheit, dann flackern beim Refrain plötzlich ganz viele Lichter auf, am besten alle Regenbogenfarben, und Helene singt von starken Frauen, einem Tanz voller Gefühle, oder dass sie heute irgendwie ewig, tausend Glücksgefühle ist.

In einer Zeitung habe ich einen Bericht über das Propagandawerk Helene Fischers gelesen, besser gesagt, nur die Überschrift davon, denn meine Konzentrationsspanne ist meist wirklich für den Arsch. Die Überschrift lautete sinngemäss: Wenn die Musik der Helene Fischer die einzige Musik wäre, die es gäbe auf dieser vermaledeiten Welt, wäre es dann besser, ganz ohne Musik zu leben?

Einfach beantwortet: Ja, wäre es!

Und ohne ihre Filme würde uns sicher auch nichts fehlen. Wir leben in Zeiten von Corona - was will man uns noch alles zumuten?

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