Meine Eltern


Sie wuchsen heran mit dem Stern auf der Stirn
und dem Kreuz in der Brust

Rannten barfuss über grüne Felder
und in den Schatten dunkler Wälder
versteckten sie sich zum Spiel
Sie hatten alles, doch besassen nicht viel
Die Väter waren meistens fort
arbeiteten im Ausland, da und dort
bis sie nach Hause kamen im Winter
und sie heranwachsen sahen, ihre Kinder
die sie im Jahr zuvor verlassen hatten
Ihre Kinder, meine Eltern

Sie wuchsen heran mit dem Stern auf der Stirn
und dem Kreuz in der Brust

Der Stern an der Stirn liess sie immer wissen
dass sie Teil einer Nation von Brüdern sind
Sie durften keine Flaggen hissen
und kannten Lieder, die verboten sind
Und wagte es einer doch einmal zu singen
dann kamen andere Brüder von weitem her
und der singende Bruder sang nie mehr

Sie wuchsen heran mit dem Stern auf der Stirn
und dem Kreuz in der Brust

Doch eines Tages ergriff die Herzen
aller Brüder und auch meiner Eltern
ein Heiliger Zorn
der Häuser, Moscheen und Kirchen hasste
und sie flossen, die Flüsse aus Blut
jenes graubehaarten Mannes
bis der Stern auf der Stirn bei allen verblasste
Und was noch übrig blieb nach Ruinen und Frust
war einzig und allein das Kreuz in der Brust
 
Sie wuchsen heran mit dem Stern auf der Stirn
und dem Kreuz in der Brust

Heute sind sie blasse Erinnerungen,
die dunklen Wälder und die grünen Felder
Ihr Zuhause verliessen meine Eltern mit mir
heute also leben sie hier
In guten Häusern, mit gutem Lohn
Wenn sie verbotene Lieder singen
kommen an ihre Türen keine Brüder,
die sie zum Schweigen bringen
Sie können sagen, was sie wollen
niemand wird sie deshalb holen

Der Stern auf der Stirn ist lange erloschen

Doch ich kann ihren Blick in späten Stunden sehen
und ich erahne, was sie denken
vielleicht wünschen sie sich, einmal noch
über die grünen Felder zu gehen
bevor der Heilige Zorn alles ergriff
und sie noch Kinder waren
inmitten dunkler Wälder und grüner Felder

Sie wuchsen heran mit dem Stern auf der Stirn
und dem Kreuz in der Brust

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