Kleiner Lobgesang auf die Schweiz


In der Nacht von heute auf morgen wird die Schweiz ihren Nationalfeiertag begehen. In Basel werden Feuerwerkskörper von Schiffen auf dem Rhein aus hoch in den Himmel geschossen, und Tausende werden sich in der Innenstadt oder auf Hügeln und Anhöhen ausserhalb der Stadt versammeln, um das Spektakel zu bestaunen. Ein Jungsozialist, der den Sozialismus nie kannte, wird erneut fordern, die Schweizerfahnen im Schrank zu lassen, obwohl die meisten sie eh auf dem Schrank haben, weshalb seine Forderung ins Leere laufen wird. Dino Merlin, einer der berühmtesten bosnischen Sänger, singt in einem seiner bekanntesten Lieder, sein Leben sei wie die Schweiz - nahezu perfekt. Und nahezu perfekt, Hand aufs Herz, ist meine zweite Heimat wirklich. Feuerwerke sollen am Nationalfeiertag den nächtlichen Himmel erhellen und Flaggen gezeigt werden, die Schweizer haben es sich verdient, und nichts weniger als das.

Ich kenne und kannte Leute, die mit grimmigem Gesichtsausdruck und Bierdose in der Hand auf das Schweizer System schimpften, auf den Kapitalismus, die Polizei oder die Unterdrückung. Zugegeben, ich war in jüngeren Jahren auch oft mit dabei, wenn es darum ging, in diesen Tadel einzustimmen, aber irgendwann muss man die Barbies und Bauklötzchen weglegen, ich meine erwachsen werden, und heute empfinde ich bei solchen Aussagen etwa das gleiche Gefühl, wie wenn ich eine Nacktschnecke über die Strasse kriechen sehe – einen leichten Ekel. Meine Nackenhaare stellen sich auf, ihr versteht. Die Schweizer sind, soweit man an Klischees und Mentalitäten glauben kann, ein ehrsames, fleissiges Volk und genauso ist auch der Staatsapparat. Graues Felsgestein und kristallklare Seen bilden das Relief ihrer Seelen und bevor es zu poetisch wird: Sie eiern nicht rum, die Schweizer! Was gemacht werden muss, wird gemacht. Eher heute als morgen, und nicht erst nach dem dritten Kaffee, sondern am besten noch vor dem ersten. Daran ist nichts falsches, und entspricht es auch nicht der eigenen Mentalität, und der Allmächtige oben weiss, dass es meiner nicht entspricht, ist es wohl die beste Art und Weise, einen Staat zu führen, wenn man ihn nicht früher oder später wie einen Bettler mit hohler, ausgestreckter an die Strassenecke der Weltgemeinschaft setzen, oder, schlimmer noch, wie einen todkranken Hund zum Veterinär fahren und einschläfern lassen will. Von alledem ist die Schweiz weit entfernt.

Einmal fuhren ich und Cousin D., der aus Bosnien zu Besuch gekommen war, über eine stark verschneite Waldstrasse ausserhalb Basels in den Hügeln des Schwarzbubenlandes. Unsere Mitfahrerin erklärte uns, dass vor kurzem ein Helikopter über diesen Wald geflogen sei, um mit aus den Propellern erzeugten Windstösse die stark beschneiten, unter dem Gewicht des nassen Schnees ächzenden Bäume davon zu befreien und Baumstürze auf die Strasse zu verhindern. Ich weiss nicht, ob es dieses Bild war, das D. vor seinem geistigen Augen sah und das ihn dazu brachte, erstaunt zu sagen: Diese Schweizer! 

Und deshalb gönnt ihnen die Feuerwerke, die Lichter und die Fahnen, die Feste und das Trinken, denn, einmal noch die Hand auf’s Herz, nicht jeder käme auf solche und andere brillante Ideen, wie etwa die direkte Demokratie. Bei uns in Bosnien würde die Verwaltung mit Schneebällen auf die Äste schiessen, um den Schnee von den Bäumen zu schütteln. Aber erst im Frühling, wenn er eh schon geschmolzen ist. Die Flaggen im Schrank lassen würden sie trotzdem niemals.

Kommentare

Beliebte Posts