Brennende Würstchen

Liebes Tagebuch…

Neulich hat mein Grill gebrannt, und zwar richtig. Als ich die Flammen wild hin zur Balkondecke züngeln sah, habe ich in Gedanken schon meinen Anwalt angerufen und ihm stotternd zu erklären versucht, dass ich das Haus, in dem ich wohne, nicht absichtlich abgefackelt habe. Dann ist mir eingefallen, dass ich gar keinen Anwalt habe, ja nicht einmal eine Rechtsschutzversicherung. Also holte ich mich geistesgegenwärtig in die Realität zurück und habe die vor Fett triefenden Würstchen blitzschnell vom Grill genommen. Und siehe da: Die Flammen waren weg, sie zischten wie sterbende Schlangen hinüber ins Nirvana.

Würstchen, die brennen

Das war das krasseste Erlebnis, das ich seit dem Ausbruch einer nach mexikanischem Bier benannten Pandemie in diesem Jahr hatte. Ja, ich weiss: Mein Leben scheint nicht so spannend zu sein, wie das des durchschnittlichen Instagram-Reise-Influencers.

Aber es ist ein gutes Leben, mit Höhen und Tiefen, ohne abgefackelte Mehrfamilienhäuser. Ich würde es gegen nichts tauschen wollen. Die flambierten Würstchen haben übrigens formidabel geschmeckt. Immer, wenn ich am Grill stehe, fühle ich mich im Einklang mit der Natur. Fleisch über der Glut, der Wind im Gesicht und in den Haaren, die Kälte im Nacken und die Zigarette fesch im Mundwinkel. So haben schon unsere Vorfahren gegessen, nur hatten sie keinen Grillanzünder und keine Zigarette fesch im Mundwinkel. Dafür haben vor der Höhle die Dinos umher gestreift. Das muss ein erhabener Anblick gewesen sein, wenn ein T-Rex mit seinen Stummelärmchen einem vor den Ausguck spaziert. 

In Zeiten der Pandemie wird einem bewusst, was wirklich wichtig ist, der Mensch findet mehr zu sich selber und seinem Urwesen. Für mich sind essentiell: Die Familie, das Essen, Süssgetränke mit “zero” Kalorien und der Zugang zu rund 500 Fernsehsendern, von denen ich aber nur etwa zehn auch wirklich gucke. Und mehr als das braucht man auch nicht. Die Dinos wollten mehr, immer mehr, immer grösser und schuppiger werden und als Alphaprädatoren den Globus beherrschen. Und wo sind sie heute? Alle tot. Und ihre Nachkommen legen Eier, die wir in der Pfanne braten und essen, teilweise sogar mit Ketchup, was mir aber nie wirklich geschmeckt hat.

So schnell kann sich das Blatt wenden. In einem Moment ist alles gut, man ist der König der prähistorischen Fauna, der Checker, im anderen steht deine Welt sprichwörtlich in Flammen - wie damals, als mein Grill plötzlich zu brennen anfing und alles, was ich besass, fast vernichtet worden wäre.

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