Zweitwohnungen auf schlecht rasiertem Rücken

In strömendem Regen stand ich heute am Bahnhof Grellingen und wartete auf den Zug, der mich nach Basel bringen sollte. Weil das Gefährt auf Schienen nicht gleich kam, hatte ich Zeit, eine Zigarette zu rauchen und rumzugucken. Rumgucken, das ist das, was ich mache, wenn ich sonst nichts mache, und ich mache oft sonst nichts.

Den Rücken den Schienen zugewandt hat man einen wunderbaren Blick auf die Hügel über Grellingen. Vor Kurzem sind sie abgeholzt worden. Und wie sie abgeholzt wurden! Sehen aus wie der Rücken eines stark behaarten Mannes, der gerade erst einmal mit einer seit zwei Jahren nicht mehr gewechselten Klinge eines Billigrasieres drübergefahren ist. Vielleicht will man ja Zweitwohnungen dort oben platzieren; mit grandiosem Ausblick auf den Bahnhof und die stark befahrene Hauptstrasse von Grellingen.
Pah, Zweitwohnungen! Ich habe nur eine Wohnung, deren Heizung mir zu jeder Zeit und Tag und Nacht das Gefühl beschert, dass ich neben einem Wasserfall lebe und eine Badezimmerleitung, die so riecht, als sei ein ganzer Bauernhof darin verendet.
Als die Minarett-Inititative angenommen wurde und in linken Kreisen über die Ungültigkeit der neuen Bestimmungen und deren Nonkomformität zu geltenden Menschenrechten, Europarecht etc. und blabla gesprochen wurde, haben die Rechten sich darüber mokiert, dass man die Demokratie aushebeln wolle. Nach der Annahme der Zweitwohnungsinitiative sind es aber nun die Rechten, die sich am Aushebeln der Demokratie versuchen möchten. Man will sich in der Politik ja in nichts nachstehen.
"Ich piss' diesen Nazis in den Hals!" Hübsches Zitat. Passt schön zu alledem hier. Von einem grossen Schriftsteller.
Ich war übrigens heute aufgrund der glücklichen Fügung, etwas Zeit und in der Brieftasche ein kleines bisschen Geld zu haben, in der unermesslich erhabenen Lage, ins Museum gehen zu können. Und das tat ich auch. Beehrte das Tinguely Museum mit meiner Anwesenheit und nahm die Ausstellung von Kienholz in Augenschein. "Deftige Kacke!" Noch ein Zitat, diesmal von mir. Schon mal eine Gruppe von Männern gesehen, die beim Billard versucht, die Kugeln in die Vagina einer toten Frau zu schieben? Nein? Ich auch nicht, zumindest bis heute nicht. Jetzt kann ich das wohl auf der Liste von Dingen, die ich kein weiteres Mal im Leben sehen werde, abhaken. Ok, ok; natürlich führe ich keine Liste, auf der ich Dinge abhake. Ich würde sie ja ohnehin verlieren.
Nachdem ich die Ausstellung und das Museum verlassen hatte, herrschte in mir übrigens eine seltsame Gefühlsstimmung, die ich zuletzt hatte, als ich in kindlichen Jahren mit meinem Cousin ein Kilo Forellen kaufte und ein Experiment durchführte, in dem auch Petarden eine essentielle Rolle spielten. Resultat: Riesige Sauerei. Reuvolle Beichte.

Die Katzen indes freute das Ganze. Des Einen Leid ist nun mal des Anderen Freud. Und meine Freud' ist's nun, den Computer zu verlassen. Ist's euer Leid? Das hoff' ich doch! Gute Nacht!

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