Ivan on the road... #1

...im Kanton Aargau

Von Abgasen edel grau melierte Schallschutzwände schmiegen sich lieblich an imposante Autobahnen, in der Ferne sommergrüne Wälder und namenlose Städte, hohe Türme und sich niedlich kräuselnde Abgaswolken im zartblauen Sommerhimmel. Der Duft von Dünger liegt in der Luft und aus dem Autoradio erschallt eine schlecht gebrannte, leidig stotternde CD mit jugoslawischem Liedgut aus den 80-er Jahren. Ich schwitze und mein Hemd klebt unangenehm an meinem von Muskelsträngen durchzogenem Rücken, doch das ist mein kleinstes Problem. Willkommen im geilen Aargau, dem superhippen Autobahn- und Transitkanton, den Ort, an dem ich heute war.



Geschäftliche Verpflichtungen führten mich mitten hindurch durch dieses (leider) oft vergessene Juwel der Schweiz. Und ich bin froh darum, denn es erfreut sich das Auge und es frohlockt das Herz wegen allem, was man bei solch einer Reise in dieses kleine Paradies erblicken kann. Vergesst Basel, ihr Leute, vergesst die Rheinpromenade und das Stücki. Wer einmal im Fricktalcenter A3 einkaufen war, der geht ins Stücki – nimmermehr. Ja, ich habe soeben E. A. Poe zitiert, leicht abgewandelt, zugegeben.
Ich verbrachte meinen Mittag heute also im eben erwähnten Fricktalcenter A3 – das A3 steht meinen intensiven Recherchen nach übrigens für die angrenzende Autobahn, welche die Zufahrt zu diesem atemberaubenden Konsumtempel bildet – und jedes Kind, ob es nun in einer polaren Forschungsstation im Norden lebt oder mit den Pinguinen im äussersten Süden unseres Erdenballs baden geht, weiss, dass die prachtvollsten und ehrfurchtgebietendsten Bauten und Institutionen menschlicher Schaffens- und Willenskraft diejenigen sind, welche im Namen die Bezeichnung der an sie grenzenden Autobahnen tragen. Dieser Anhang im Namen, diese simple Bezeichnung eines monströs in die Landschaft geklotzten Betonfadens ist mehr wert als ein Adelstitel für uns Menschen, glaubt mir das, auch wenn ihr mir sonst nichts zu glauben wagtet.

Auf einer lieblich mit Beton und Asphalt zugekleisterten Anhöhe etwas abseits der vielbefahrenen Strasse liegt also diese Oase, die nicht etwa langweilige Brunnen mit kristallklarem Wasser dem Rast und Ruhe suchenden Reisenden bietet, sondern etwas viel Geileres: Einen Aldi, einen Vögele UND einen Vögele Shoes, einen Billigmarkt mit atemberaubend liebloser Chinaplastik-Massenware, und – aus dem Vermächtnis des allseits geliebten, aber leider bereits verstorbenen Vaters der lybischen Nation, meinem one and only Macker Muammar Gaddafi – eine Tamoil-Tankstelle. Das und noch viel mehr fand ich dort im Fricktalcenter A3. 

Ich will nicht verhehlen, dass mein Herz blutete, ein ganz kleines bisschen, als die Zeit gekommen war, ins Auto zu steigen und zu gehen. Ich hatte die Freuden genossen, die es hier zu geniessen gab und bei Gott, nach diesem Lachs- und Eiersandwich aus dem Aldi, das mir im Magen lag wie Jesus in seinem Grabe, wären selbst die rund 70 Jungfrauen im muslimischen Paradies, die mich als Märtyrer mit gespreizten Beinen erwarten würden, ein schwacher Abklatsch der ekstatischen Glücksmomente gewesen, der inneren Harmonie und der seelenwärmenden Schönheit, die ich im Fricktalcenter A3 geniessen durfte, wenn auch nur für etwa eine Stunde.

Ich werde sicher noch lange an diesen Tag zurückdenken, vielleicht mal meinen Enkeln davon erzählen. Aber wie ich zu Beginn sagte, als ich schwitzend im Auto sass und die Autobahn Richtung Basel entlangbrauste, war das verschwitzte Hemd an mir mein kleinstes Problem. Aargau lag bereits in meinem Rücken, ein schwarzes Loch tat sich dort auf, wo zuvor mein glücklich Herz sich kuschelnd in die Brusthöhle schmiegte und das Aldi-Sandwich – und daher der Vergleich mit Jesus – wollte nun, dem Beispiel unseres Schöpfers folgend, raus aus seinem Grabe, meinem Magen also.

Und genau hier will ich diesen Reisebericht auch beenden, denn alles, was später noch folgen sollte, würde mein und dein und unser Bild vom wunderschönen Aargau, das wir hier und heute wieder einmal vor unser geistiges Auge heraufbeschworen haben, trüben. Und deshalb: Schluss!


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