Von Krähen und Affen

Liebes Tagebuch…

Heute, es war noch früh morgens, ich streifte alleine und einsam auf dem Weg zur Arbeit über einen ruhigen, in leichten Nebel gehüllten Pfad neben eienem weiten Feld, die Kapuze hatte ich nicht auf dem Kopf, denn meine Jacke hatte gar keine Kapuze, auf diesem Pfad schreitend also musste ich kurz innehalten, um die wunderbare Schöpfung Gottes zu bestaunen. Nicht weniger als das. Ich schaute aber nicht an mir herunter, wie du jetzt vielleicht zuerst geglaubt hast, oh mein geliebtes Tagebuch.

Über meinem Kopf kreisten im grauen Morgenhimmel eine Unmenge an Krähen, sangen mit ihren krächzenden Stimmen lauthals den neuen Tag herbei und flogen hin und her, in Mustern, deren Form ich nicht erkennen konnte. Es flog droben eine grössere Zahl an Krähen als an schlechten Noten, die ich mir im Laufe meines Lebens bei naturwissenschaftlichen Fächern geholt hatte.

Beeindruckend, dachte ich mir, während ich da stand und gebannt in den Himmel starrte. Die Krähen, das wusste ich, machten sich bereit zum Flug in den Süden. Flüge sind jetzt günstig, es gibt Pauschalangebote für grosse Reisegruppen, und Krähen sind schlau genug, um von solchen Angeboten gebrauch zu machen. Das leuchtet ein. Was mir ganz und gar nicht einleuchtete: Woher wussten diese Vögel, wo und wann sie sich zu treffen hatten? Es kamen ja aus der Ferne immer neue Krähen hinzu, die sich dem riesigen Schwarm anschlossen. Vögel, Tiere überhaupt, auch das wusste ich, besassen kein Facebook, auch kein Whatsapp; ihre krallenbewährten Vogelbeine waren für die Bedienung von Touchscreens ungeeignet, sie machten hässliche Kratzer, sie besassen keine Smartphones, vielleicht aus Solidarität mit den Arbeitern in China, und für den Umgang mit Computern fehlten ihnen die Daumen. Affen, klar, die hatten Facebook. Wenn im Fernsehen mal wieder ein Bericht über eine ausgeartete Facebook Party kam, dann konnte man davon ausgehen, dass ein Affe sprichwörtlich seine Finger im Spiel, ich meine auf der Tastatur, hatte. Aber diese majestätischen Wesen dort oben? Wie brachten sie das zustande?

Wie brachten sie das zustande? war übrigens auch die Frage, die ich mir stellte, als ich das Gesicht des grossen Siegers der Kongresswahlen in den USA, den Republikaner Mitch McConnell, auf dem Monitor sah. Gottes Schöpfung scheint so grossartig und makellos nicht zu sein, stellte ich konsterniert fest. Zählen äussere Werte gar nichts mehr? Der Mann sieht aus wie ein Albino Axolotl, das, Respekt dafür, den aufrechten Gang erlernt hat. Es muss seine Stimme gewesen sein, ja, er muss die Leute gefesselt haben mit dem Klang seiner vibrierenden Stimmbänder. Ich hoffte es, hoffte auf eine Erklärung für das, was nicht zu erklären ist. Als ich ihn im Radio schliesslich hörte, zerschlugen sich auch diese Hoffnungen, so wie meine Hoffnungen und Träume auf dem Altar der Realität einst zerschlagen wurden! Badaaam!

Seltsam, geheimnisumwoben, unerklärlich ist der Flug der schwarzen Krähen über mir. Seltsam, geheimnisumwoben, unerklärlich wie der Mensch. Ist es Gottes Schöpfung, Gottes geiler Plan oder reiner Zufall, was wir jeden Tag sehen, was uns in Staunen und Unglauben versetzt? Meistens, diese Erfahrung habe ich gemacht, steckt lediglich ein Affe dahinter. Oder viele Millionen Affen.

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