Mit Crack zum Bürgermeisteramt
Oh ihr, der Kälte
wegen steif gefrorenen Finger, lasst mich folgenden Beitrag ohne
weitere Mühe schreiben, denn ich muss mir etwas von der Seele reden.
Ich bin ein guter
Mensch. Wo ich helfen kann, dort helfe ich und was ich geben kann,
das gebe ich. Beispiel gefällig: In all den Jahren, die ich nun auf
der Erde weile und es sind nun mal, hinfort mit den Eitelkeiten,
schon einige, habe ich nie einem Menschen, sei er arm oder reich,
jung oder alt, hässlich oder schön, eine Zigarette verweigert. Wie
oft gab ich meinen letzten Glimmstengel, um einem Mitmenschen eine
Freude bereiten zu dürfen, die ich mir damit selbst entzog?
Ungezählte Male. Wo ich nichts hergeben konnte, weil ich es schlicht
und einfach selbst nicht hatte, dort half ich noch immer aus mit
einem Rat. Ich habe gesagt: Mensch, dein Glück, dass ich keine
Zigaretten mehr übrig habe. Lass die Finger davon, von Drogen, von
allem, was dich süchtig machen könnte, denn du beschreitest damit
des Teufels Pfad, der dich unweigerlich ins Land der Nachteile, wenn
nicht sogar ins Verderben selbst, führt. So sprach ich und das
Geschöpf, das das Glück hatte, mich zu hören, zog fröhlich
hopsend weiter seines Weges, mit einem Glanz in den Augen, den es
zuvor nicht hatte, einer Zukunft voller Möglichkeiten entgegen.
Ich will nicht
übertreiben, aber der göttliche Funke strahlt stark in mir, diverse
Freunde haben mir das bestätigt.
Doch etwas nagt an
mir. Vielleicht war mein gut gemeinter Rat, was Drogen betrifft,
unwahr. Immerhin kann man es als Crack rauchender, adipöser Lügner
immer noch zum Bürgermeister einer Millionenstadt bringen und einen
Haufen Geld verdienen. Helmut Schmidt raucht wie ein Türke und ist
die Instanz, wenn es in Deutschland um die Klärung staatstragender
Fragen geht. Von Adolf Hitler weiss man, dass er ein minder begabter
Künstler war. Doch der Mann war auch schwer abhängig nach Opiaten
und trotzdem auf dem besten Weg, ein weltumspannendes Reich aus dem
Boden zu stampfen, wenn nur die ganzen Spielverderber in der
erdrückenden Überzahl nicht gewesen wären. Von Sasha Grey schliesslich
wird gemunkelt, dass sie bis obenhin mit einer Substanz namens Sperma
vollgepumpt war, während sie ihren zukünftigen Bestseller
schrieb. Verschont mich also mit der Mär vom cleanen Erfolgsmenschen
und öffnet eure Augen, ihr, die ihr die Augen allzu gern verschliesst!
Hätte ich es tun
sollen? Hätte ich es nicht nur bei exzessivem Rauchen belassen,
sondern mich auch härteren Mitteln zuwenden sollen, nein, müssen,
um mein wahres Potential hervorzubringen, das die ganze Zeit unter
der Decke der Nüchternheit schlummert? Meine Antwort lautet nach
eindringlichem Sinnieren: Ja! Doch was ich mir verwehrte, soll anderen
nicht verwehrt bleiben. Zigaretten für die Jüngsten unter uns,
Crack für die Ehrgeizigen, Heroin für die, die nicht weiter wissen.
Wir alle können Bürgermeister unseres persönlichen Torontos
werden, wir alle!
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