Zur Feier des (vorgestrigen) Tages

Am Sonntagnachmittag denke ich mir noch: Ivan, morgen tritt Kroatien der EU bei; du darfst nicht vergessen, darüber zu bloggen! Du darfst es nicht auf die lange Bank schieben! Du musst zeigen, dass du voll aktuell und nah am Weltgeschehen bist!

Die Geschichte endet tragisch: Jetzt ist bereits Mittwochabend! Aber besser man bloggt zu spät als nie, eine Aktualität immerhin kann ich erwähnen: Mohammad Mursi, Präsident von Ägypten, wird wohl bald einen Falafelladen hier in Dornach eröffnen. Er hat keine Lust mehr auf seinen aktuellen Job, ständig wird er vom Volk über Twitter beleidigt und von der Armee übelst gemobbt.

Nun aber zurück zum eigentlichen Thema. Dies, liebe Leser, ist der erste Beitrag von mir, den ich als Europäer verfasse, denn seit am Montag Kroatien der EU beigetreten ist, bin auch ich ein vollwertiger Europäer und damit mehr Wert als ihr Schweizer, ätschi-bätsch! Hä, werden jetzt viele sagen, aber du kommst doch aus Bosnien, Ivan, wurdest in Mostar geboren, der wunderschönsten Stadt der Welt mit dieser schönen Brücke, deshalb bist du selbst ja auch so schön, weil dich Schönheit seit der Geburt umgibt!?
Stimmt alles, liebe Leser! Trotzdem habe ich eine kroatische Staatsbürgerschaft; während dem Krieg mussten sich die Leute in Bosnien entscheiden, auf welche Seite sie wollen, denn Jugoslawen gab es ja keine mehr: die Moslems wurden zu Bosniaken, die orthodoxen Serben blieben noch eine Zeit lang Jugoslawen und die katholischen Kroaten wurden zu Kroaten. Und so bin ich heute, was ich bin, so bin ich Europäer.
Das macht mich stolz, ich fand Europa immer toll. Früher hörte Europa für mich an der slowenisch-kroatischen Grenze auf. Diese Scheiss-Slowenen durften ja gleich Europäer werden, ist aber egal, das haben wir alle überwunden, denn die Slowenen sind unter den Balkanvölkern sowieso die Spiesser. Bei denen heisst zum Beispiel das Vergleichswort "wie" kot. Man muss sich das mal vorstellen, immer wenn die etwas miteinander vergleichen, müssen sie dieses Wort verwenden, das ja in unseren Breitengraden Kacke bedeutet.
Heute hört die EU an dem Grenzübergang zwischen Kroatien und Bosnien auf, dessen Namen ich nicht kenne, wo die Leute aber immer mit Benzinkanistern voll Orangensaft über die Grenze spazieren. Diese Leute waren dort jedes Mal unterwegs, wenn wir auch dort waren, also jedes Jahr etwa zwei bis drei Mal, und jedes Mal trugen sie diese riesigen Kanister mit Orangensaft. Sie mussten Unmengen davon trinken, dabei wuchsen in der Gegend ja nicht mal Orangen. Verdammte Globalisierung, dachte ich schon damals.

Ja, ich bin stolz, Europäer zu sein! Allerdings lasse ich jetzt eine Bombe platzen, aber keine echte, so wie das jetzt etwa ein muslimischer Fundamentalist tun würde. Ich werde lediglich eine gedankliche Bombe zünden, und zwar indem ich sage, dass Europa als derselbe dampfende Kackhaufen enden wird wie damals Jugoslawien. Ich kann sowas nicht mit Thesen belegen, bekanntermassen habe ich ja nicht Politologie, sondern Kwantenphysik an der Uni studiert.

Jugoslawien war ganz ähnlich wie das heutige Europa, natürlich in viel kleinerem Rahmen. Eine handvoll Nationalstaaten, unzählige Völker und Mentalitäten, wirtschaftliche Ungleichheiten, all das gab es dort. Irgendwann hatten die einen genug davon, dass eine höhergestellte Instanz politisches Bestimmungsrecht sich aneignete und den eigentlich souveränen Nationalstaaten entzog. Dann kam es zu einer Schiesserei auf einer Hochzeit und den Rest der Geschichte kennt man ja. Dieselben Probleme wie in jenen Jahren hat Europa heute auch. In monströsen Ausmassen allerdings. Früher war Europa für mich eine ideologisch geprägtes, positives Gebilde, das die Welt verbrüdert. Die Realität ist anders, leider. Europa ist in erster Linie eine Wirtschaftszone, ein bürokratischer Apparat, der oft absurde Gesetze herausgibt, wie etwa jenes, dass man Olivenöl nicht in einer bestimmten Gefässsorte offen auf dem Tisch servieren darf. Europa ist ein System, dass, und nun kommt das Wort schon zum dritten Mal im Text vor, von Kackstaaten wie Deutschland gelenkt wird. Wir Europäer haben massive Probleme und die werden nicht verschwinden, nur weil das Wirtschaftswachstum jedes Jahr um ein paar Prozent zunimmt; immer ist nur davon die Rede. Den Leuten ist es egal, ob die Wirtschaft wächst, wenn sie selbst kaum zu essen haben, wie etwa in Griechenland. Irgendwann wird das alles platzen, wenn sich nichts ändert. Und ändern wird sich nichts.

Wenn alles vorbei ist, werden sich die Leute mit Wehmut an ihr zerstörtes Europa erinnern, mit Nostalgie auf den Staat der Brüder zurückblicken und davon träumen, wie es war, sich frei bewegen zu können und eine Schwedin zu bumsen. Von den absurden Gesetzen mit dem Olivenöl wird niemand mehr reden. So ist es heute, wenn sich die Leute an Jugoslawien erinnern, diesen Staat der Brüder, wo man verschwand, wenn man das Falsche sagte. So wird es auch mit Europa sein. Deshalb, lasst es uns noch ein bisschen geniessen, solange wir können, Europäer.

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